Seit Frühjahr 2022 ziehen die Zinsen für Darlehen kräftig an. Davor waren sie äußerst gering. Geld aufnehmen war sehr günstig möglich. In den gegenwärtigen Zeiten, in denen Zinskonditionen von 5 %, 6 % - oder noch mehr - wieder Normalität geworden sind, ist die Sehnsucht nach günstigen Darlehenskonditionen groß.
Als unkonventioneller Darlehensgeber bietet sich der Fiskus an. Durch die Aufnahme eines Fiskalkredits kann ein endfälliges Darlehen beim Finanzamt für 1,8 % Jahreszinssatz aufgenommen werden. Als Bonus obendrauf bietet der Staat die ersten 15 Monate sogar zinsfrei an.
Das Instrument, um an das Darlehen zu gelangen, ist der Investitionsabzugsbetrag, kurz IAB. In welchen Fällen und welcher Höhe ein Fiskalkredit erreichbar ist, skizziert dieser Blog-Beitrag.
Ein IAB hat den Zweck, Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu fördern. Betriebe mit einem Jahresgewinn von bis zu 200.000 Euro können für die Anschaffungskosten künftiger Investitionen in solches Inventar bis zu 50 % von deren Anschaffungskosten vorab gewinnmindernd geltend machen.
„Früher“ musste bei der IAB-Bildung das künftig, in der Zukunft anzuschaffende Wirtschaftsgut konkret bezeichnet werden, die Investitionsabsicht musste also tatsächlich vorhanden sein. Durch das Steueränderungsgesetz 2015 ist seit dem Jahr 2016 jedoch keine konkrete Investitionsabsicht mehr nötig. Der Steuerpflichtige muss das der IAB-Bildung zugrunde liegende Wirtschaftsgut auch nicht mehr vorab seiner Funktion nach benennen.
Im Ergebnis ist auch eine IAB-Bildung ohne konkrete Investitionsabsicht möglich, schon im Wissen, dass die Investition so wahrscheinlich nie erfolgen wird. Hierfür, für eine IAB-Bildung ohne Investitionsabsicht, hat sich der Begriff „Fiskalkredit“ herausgebildet, denn:
In einem solchen Fall mindert der IAB den Gewinn und dadurch die zu zahlenden Ertragsteuern (Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer) im Jahr der Bildung. Erfolgt in den drei Folgejahren keine tatsächliche Investition und „Nutzung“ des IAB, so ist er „nach drei Jahren“ im Ursprungsjahr rückgängig zu machen.
Die Steuer im Ursprungs- bzw. IAB-Bildungsjahr erhöht sich dann rückwirkend auf dasjenige Niveau, das sich ohne die Gewinnminderung durch den IAB ergeben hätte.
Die Ertragsteuern sind sodann für das IAB-Bildungsjahr nachzuzahlen. Die Steuernachzahlung unterliegt der üblichen Verzinsung für Steuernachzahlungen (aktuell 1,8 % pro Jahr). Für die ersten 15 Monate greift zudem eine zinsfreie Zeit, die sogenannte Karenzzeit.
Da dieses Handling, also die „Bestrafung der Nichtinvestition“, durch die Verzinsung der IAB-Rückgängigmachung explizit vom Gesetzgeber gesehen und geregelt wurde, liegt kein Gestaltungsmissbrauch bei Nutzung des Fiskalkredits vor (vgl. u. a. Bundesrat-Drucksache 121/15 vom 27.03.2015, Seite 46).
Wer also Liquidität benötigt und die Eingangsvoraussetzung erfüllt, einen Betrieb zu führen, der im Bildungsjahr einen Gewinn von unter 200.000 Euro (ohne IAB-Bildung) einfährt, der kann darüber nachdenken, dieses Darlehen der etwas anderen Art (1,8 % Zinsen, endfällig in drei Jahren, Zinszahlung ebenfalls erst am Laufzeitende) in Anspruch zu nehmen.
Bitte bedenken Sie: Der Fiskalkredit macht insbesondere dann Sinn, wenn Sie ein Darlehen für eine private Investition benötigen.
Einschub zur gedanklichen Sortierung: Bei betrieblichen Investitionen sind die „normalen Bankzinsen“ regelmäßig steuermindernd absetzbar. Bei einem Grenzbelastungsniveau im Spitzensteuersatzbereich (42 %) verursacht ein betriebliches Darlehen also effektiv nur rund 58 % des Bankzinssatzes an Effektivkosten „nach Steuern“. Die Zinsen für den Fiskalkredit sind nicht steuerlich absetzbar, weil sie mit „privaten Schulden“ (private ESt-Last) bzw. nicht abziehbaren Betriebsausgaben (Gewerbesteuer) zusammenhängen. Stünden Sie also – rein theoretisch – vor der Frage: Fiskalkredit oder betriebliches Darlehen für 1,8 % (selber Zinssatz), wäre das betriebliche Darlehen zu bevorzugen, da dessen Zinsen zusätzlich Ertragsteuer-mindernd angesetzt werden könnten.
Nun ein Beispiel:
Franziska, ledig, kinder- und konfessionslos, benötigt für private Zwecke rund 50.000 Euro. Ein Bankdarlehen könnte sie für 6 % aufnehmen.
Franziska hat eine gut dotierte Anstellung (nichtselbständige Beschäftigung) und ist daneben als selbständige Nachhilfelehrerin tätig. Der Gewinn aus der Nachhilfelehrer-Tätigkeit beträgt Jahr für Jahr ca. 10.000 Euro - 15.000 Euro.
Die Banken wollen aktuelle Zahlen haben, um eine Darlehensgewährung ausloten zu können. Aus der erstellten ESt-Erklärung ergibt sich vorläufig ein zu versteuerndes Einkommen von 150.000 Euro.
Wenn Franziska die ESt-Erklärung 2023 mit dem zu versteuernden Einkommen von 150.000 Euro „abgibt“, wird Einkommensteuer (inkl. Solidaritätszuschlag) in Höhe von 55.943,48 Euro festgesetzt werden.
Franziska kann jedoch im Rahmen der Gewinnermittlung (EÜR) 2023 für die Nachhilfe-Lehrer-Tätigkeit einen IAB in Höhe von (maximal, volles Ausschöpfen hier gar nicht nötig) 200.000 Euro bilden …
… die festzusetzende Einkommensteuer, inkl. Solidaritätszuschlag, beträgt dann 0 Euro.
Das Nicht-Zahlen-Müssen der 55.943,48 Euro bzw. das Zurückerhalten der vorausbezahlten Lohn- und Einkommensteuer (inkl. SolZ) führt im Ergebnis zum „Finanzamtsdarlehen“ bzw. Fiskalkredit in jener Höhe.
Wie lange läuft der Fiskalkredit nun?
Franziska wird im Nachhilfelehrer-Betrieb keine derart hohen Investitionen in bewegliches Anlagevermögen tätigen, dass der IAB mittels Investition aufgelöst wird. Daher ist nach drei Jahren, also spätestens mit Abgabe der Steuererklärung für 2026, mithin irgendwann im Laufe des Jahres 2027 oder gar erst Anfang 2028, der IAB in 2023 rückabzuwickeln.
Der Fiskalkredit steht sodann (im Laufe des Jahres 2027 bzw. Anfang 2028) in einer Summe, inkl. Zinsen, endfällig zur Rückzahlung ans Finanzamt an.
Für welchen Zeitraum fallen Zinsen an?
Zinsen fallen für 2023 erst ab 01.07.2025 an. Die Zeit bis dahin, sog. Karenzzeit, ist zinsfrei.
Die Karenzzeit beträgt prinzipiell „nur“ 15 Monate (also bis Ende März des Folgejahres), wegen Corona war sie aber verlängert worden und verkürzt sich in den nächsten Jahren erst wieder schrittweise auf 15 Monate.
Für die Steuer 2023 sind es eben 18 Monate, Zinsen fallen erst ab 01.07.2025 an.
Was kann Franziska tun, wenn Sie den endfälligen Fiskalkredit in 3 Jahren nicht zurückzahlen kann oder will?
Sollte Franziska bei Fälligkeit (2027 bzw. Anfang 2028) die Rückzahlung nicht leisten können oder wollen, kann sie, unverändertes Recht und ähnliche Einkünfte-Höhe unterstellt, darüber nachdenken, den Fiskalkredit neu zu bilden.
Die Laufzeit desselben würde sich dann effektiv dergestalt verlängern, dass die nötige ESt-Nachzahlung für 2023 durch eine ESt-Erstattung „für 2026“ kompensiert wird. Im Ergebnis wäre der Fiskalkredit um drei Jahre verlängert, eine Anschlussfinanzierung erreicht.
Welche Risiken hat der Fiskalkredit für Franziska?
Die im vorherigen Absatz skizzierte „Verlängerungsmöglichkeit“ hängt entscheidend davon ab, dass das Recht, die gesetzliche Grundlage zum Fiskalkredit unverändert bleibt. Dafür gibt es keine Garantie.
Zudem handelt es sich bei den 1,8 % Verzinsung materiell um einen „variablen Zinssatz“. Als der Zinssatz für Steuernachzahlungen und -erstattungen vor wenigen Jahren von 6 % auf 1,8 % gesenkt worden war, wurde propagiert, dass der Zinssatz mittel- und langfristig dem Marktzinssatz nachfolgen solle. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die 1,8 % in naher Zukunft oder mittlerer Frist angehoben werden. Wann eine Anpassung erfolgt, und wie hoch der Zinssatz dann in etwa sein wird, wissen wir nicht.
Wie könnte Franziska den Sachverhalt weiter optimieren, was wäre das I-Tüpfelchen?
Franziska könnte darüber nachdenken, die jährlichen Steuererklärungen fortlaufend äußerst früh einzureichen. Dadurch könnte folgende Optimierung ins Auge gefasst werden:
Franziska erreichte durch die Abgabe der ESt-Erklärung für 2023 einen Fiskalkredit von 55.943,48 Euro in 2024.
Wenn Sie nun die Steuererklärungen fürs Folgejahr, für 2024, „im Frühjahr 2025“ bereits einreicht, könnte sie …
den IAB für 2023 vorweg rückgängig machen …
… die Steuer für 2023 wäre dann nachzuzahlen …
… zinsfrei, weil innerhalb der Karenzzeit …
In der Steuererklärung für 2024 einen neuen IAB bilden …
… einen Fiskalkredit in ähnlicher Höhe für 2024 erhalten …
… per Saldo wäre also der Fiskalkredit um ein Jahr verlängert …
… und Franziska würde zudem wieder „rund ein Jahr“ von der zinsfreien Karenzzeit profitieren!
… im nächsten Jahr (2025) dasselbe Spiel …
… immer unterstellt: Unveränderte Rechtslage, unveränderte Einkünfte-Höhe.
… so würden die rund 55.000 Euro zu einem „dauerhaft zinsfreien Fiskalkredit“.
Fazit:
Bis vor wenigen Jahren war das Zinsniveau so gering, dass obige Überlegungen bzw. der Erhalt zinsfreier oder zinsgünstiger Darlehen kaum einen Mehrwert brachten.
Seit Anstieg der Zinsen macht es Sinn, in geeigneten Fällen über das Instrument „Fiskalkredit“ nachzudenken.
Das Vehikel „Fiskalkredit“ klingt fast zu schön, um wahr zu sein, keine Frage. „Stand jetzt“ (Juli 2024) ist es jedoch in oben beschriebener Weise zulässig, den IAB in bezeichneter Weise zu nutzen.
Sie sollten daher darüber nachdenken, diese Finanzierungsform zu nutzen, insbesondere dann, wenn es um die Finanzierung von privaten Investitionen geht, die nicht zur Einkünfte-Erzielung genutzt werden.
Die Zinsen „fürs eigene Wohnhaus“ sind so (Bankdarlehen) und so (Fiskalkredit) nicht absetzbar. Dort ist ein zinsfreies (Karenzzeit) bzw. zinsgünstiges (gegenwärtig 1,8 % für die Zeit nach Ablauf der Karenzzeit) Darlehen in Form des Fiskalkredits äußerst attraktiv, stiftet einen nennenswerten wirtschaftlichen Mehrwert.
Wer kann den Fiskalkredit erhalten, welche Grundvoraussetzung ist nötig?
Um einen Fiskalkredit „dem Grunde nach“ beanspruchen zu können, benötigen Sie einen Betrieb (Gewerbebetrieb, selbständige Arbeit oder Land- und Forstwirtschaft mit EÜR oder Bilanz) mit einem Gewinn von maximal 200.000 Euro im Jahr der IAB-Bildung.
Wie hoch ist der Fiskalkredit?
„Der Höhe nach“ ist der maximal beanspruchbare Fiskalkredit individuell davon abhängig, wie hoch ihr zu versteuerndes Einkommen ist. Auch der Familienstand hat Einfluss.
Das eine Extrem: Wer „ohnehin keine Einkommensteuer zahlt“, wer also unterhalb des Existenzminimums (Grundfreibetrag, in 2024: 11.604 Euro) als Lediger verdient, der kann vom Fiskalkredit nicht profitieren. Der Fiskalkredit wäre 0,00 Euro.
Bei einem zu versteuernden Einkommen in Franziskas Höhe (siehe Beispiel oben, 150.000 Euro zu versteuerndes Einkommen, ledig) beträgt der Fiskalkredit rund 55.000 Euro.
Wenn die gesamten 200.000 Euro Investitionsabzugsbetrag auf spitzensteuersatz-minderndes Steuersubstrat treffen, beträgt der Fiskalkredit-Rahmen 84.000 Euro ohne Solidaritätszuschlag, mit/inkl. Solidaritätszuschlag sogar 88.620 Euro.
Das andere Extrem: Bei denjenigen, die Reichensteuer zahlen, ist gar ein Fiskalkredit in Höhe von knapp 95.000 Euro denkbar. Reichensteuer ist auf diejenigen Teile des zu versteuernden Einkommens zu zahlen, die über 277.826 Euro hinausgehen (bei ledigen Steuerpflichtigen).
Wie hoch das potenzielle Fiskalkredit-Volumen im Einzelfall ist, muss erörtert werden, wenn ernstliches Interesse besteht, diese Finanzierungsform abzuklären.
In welchen weiteren Fällen macht der Fiskalkredit Sinn?
Bisweilen begegnet uns in der Praxis bzw. bei Anfragen von potenziellen Neumandanten folgende Situation, Zitat (Neu-)Mandant:
„Ich habe 2022 (Beispiel) einen enorm hohen Gewinn gemacht. Da ich kaum flüssige Mittel habe, gebe ich bewusst die Steuererklärung für 2022 nicht ab, bis mir das Finanzamt mit Zwangsgeldern droht, um die Nachzahlung möglichst lange hinauszuzögern.“
Einschätzung unsererseits:
Das ist der falsche Ansatz. In diesem Fall gerät der Steuerpflichtige unnötig in Kalamitäten. Hohe und vermeidbare Verspätungszuschläge drohen zudem, wenn die Steuererklärungen erst nach Ablauf der Frist eingereicht werden. Der Fiskalkredit kann dort eine charmante Lösung sein.
Ebenso denkbar:
„Ich gebe dem Finanzamt keinen Einzug, kein Sepa-Mandat. Ich zahle die Steuern immer mit etwas Verspätung, weil ich die Liquidität erst zusammenkratzen muss. Den Säumniszuschlag nehme ich dafür in Kauf.“
Einschätzung unsererseits:
Wir empfehlen stets und flächendeckend den Mandanten, dem Finanzamt ein Sepa-Mandat zu erteilen! Fünf gute Gründe hierfür finden Sie am Ende dieses Beitrags in einem separaten Blog-Beitrag verlinkt.
Säumniszuschläge betragen 1 % pro angefangenen Verspätungsmonat. Säumniszuschläge entsprechen also einem Jahreszinssatz von 12 % (!). Es ist kaum eine ungünstigere und schlechtere Finanzierungsform denkbar als diejenige über Säumniszuschläge. Bitte nutzen Sie diese nicht! Die Lösung kann auch in solchen Sachlagen in einem Fiskalkredit liegen!
Sollten soweit Fragen im Einzelfall bestehen, stehen wir gerne telefonisch (0851 95689-0) oder per E-Mail (zu unseren üblichen Stundensätzen) zur Verfügung.
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