Der Grundfreibetrag ist ein zentrales Element der Einkommensteuer. Jeder Steuerpflichtige, der mehr als das Existenzminimum verdient, ist direkt betroffen, denn der Grundfreibetrag entscheidet darüber, wie viel Einkommen steuerfrei bleibt. Die aktuellen Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit in den Jahren 2023 und 2024 machen das Thema spannend – und hochrelevant. Am Ende dieses Beitrags finden Sie eine klare Empfehlung, wie Sie Ihre Rechte wahren können. Aktuell sorgt der Grundfreibetrag in den Jahren 2023 und 2024 für Aufsehen, da Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit seiner Höhe bestehen.
Der Grundfreibetrag ist der Teil des Einkommens, der steuerfrei bleibt. Er soll sicherstellen, dass das Existenzminimum nicht besteuert wird. Die Höhe des Grundfreibetrags wird vom Gesetzgeber festgelegt und orientiert sich in der Theorie an den Lebenshaltungskosten sowie am sozialrechtlich definierten Existenzminimum.
Im Jahr 2023 betrug der Grundfreibetrag 10.908 Euro, während er für 2024 -- im Herbst desselben Jahres rückwirkend -- auf 11.784 Euro festgelegt wurde. Bei Verheirateten gelten die doppelten Beträge. Kritiker bemängeln, dass die Erhöhung nicht ausreicht, um die reale Inflation auszugleichen, und dass der Grundfreibetrag unterhalb der Sozialhilfezuwendungen liegt.
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) hat sich im Juni 2024 mit der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags befasst (Az. 1 K 37/23). Die Kläger argumentierten, dass der Grundfreibetrag – insbesondere in seiner Höhe – verfassungswidrig sei. Sie stützten sich dabei auf zwei wesentliche Punkte:
Die Kläger stützten ihre Argumentation auf Berichte aus der Berliner Morgenpost und dem Handelsblatt. Mit Taschenrechner und Zeitung ausgestattet, rechneten sie sich aus den veröffentlichten Zahlen – unter anderem den Bürgergeldbeträgen und Mieten – zur vermeintlichen Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags. Ihr Fazit: Bürgergeldempfänger hätten mehr Geld zur Verfügung als Steuerpflichtige, die knapp über dem Grundfreibetrag liegen.
Das FG erkannte zwar die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, war jedoch nicht „überzeugt“, dass die Vorschrift des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG verfassungswidrig ist. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) lehnte das Gericht deshalb ab. Allerdings ließ es die Revision zu, da die Frage grundsätzliche Bedeutung habe.
Die Entscheidung des FG wurde an den Bundesfinanzhof (BFH) weitergeleitet, der das Verfahren nun unter dem Aktenzeichen III R 26/24 führt. Damit bleibt die Frage der Verfassungsmäßigkeit weiterhin offen.
Zusätzlich hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für 2024 eine Anhebung des Grundfreibetrags um 180 Euro (bisher 11.604, neu/rückwirkend 11.784 Euro) bringt. Das Gesetz wurde am 18. Oktober 2024 vom Bundestag verabschiedet, ist also entsprechend umgesetzt. Diese Erhöhung soll die bestehende Differenz zwischen Steuer- und Sozialrecht weiter verringern. Ob dies jedoch ausreicht, bleibt abzuwarten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits vor 25 Jahren entschieden, dass das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Mindestgrenze für den steuerlichen Grundfreibetrag darstellt. Doch im aktuellen Streitfall wird argumentiert, dass die Leistungen des Bürgergelds, inklusive Übernahme von Wohnkosten, das steuerfreie Existenzminimum übersteigen. Die Finanzämter könnten sich einer Einspruchswelle gegen Einkommensteuer- und Vorauszahlungsbescheide ausgesetzt sehen, die vermutlich Hunderttausende betreffen wird.
Das FG betonte, dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums grundsätzlich typisiert erfolgen dürfe. Die Maßgaben des Sozialrechts, insbesondere die Karenzzeitregelung für Wohnkosten, erschwerten jedoch eine vollständige Parallelität zwischen Sozial- und Steuerrecht. Das Gericht sah die Abweichungen zwischen beiden Rechtsbereichen als rechtlich problematisch, hielt sie aber für vertretbar.
Betroffene sollten mit Verweis auf das Aktenzeichen des Verfahrens beim BFH (III R 26/24) Einspruch gegen ihre Einkommensteuerbescheide einlegen und zugleich das Ruhen des Verfahrens nach § 363 II 2 AO beantragen, bis eine endgültige Entscheidung vorliegt. Ziel ist es, die eigene Rechtsposition zu schützen, ohne dabei unnötigen Aufwand für die Finanzämter zu verursachen.
Die Finanzämter haben bereits jetzt sehr viel Arbeit, und es ist aus unserer Sicht ein Gebot des gegenseitigen Respekts, den Einspruch so zu gestalten, dass die Bearbeitung schlank und aufwandsarm bleibt – für alle Seiten, auch für die Bediensteten im Finanzamt.
Angesichts der offenen Rechtslage empfehlen wir jedem Steuerpflichtigen, der über dem Grundfreibetrag verdient und daher Einkommensteuer zahlt, Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2023 und 2024 einzulegen. Dies gilt unabhängig von den Erfolgsaussichten des Verfahrens. Ziel des Einspruchs ist es, die eigenen Rechte zu sichern und von einer möglichen positiven Entscheidung zu profitieren.
Es wäre zweckmäßig, wenn die Finanzverwaltung die Bescheide in diesem Punkt als vorläufig erklären würde. Dies wird womöglich in absehbarer Zeit erfolgen, bleibt daher abzuwarten.
Im Einspruch sollte das Ruhen des Verfahrens beantragt werden, bis der BFH oder gegebenenfalls das BVerfG abschließend entschieden hat. Von der anstehenden Entscheidung könnten mehr als 46 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, Beamte, Selbständige und Rentner in Deutschland betroffen sein.
Die Finanzverwaltung hat zwischenzeitlich reagiert, wohl um einer erwartbaren Einspruchsflut Einhalt zu gebieten.
Wir beobachten, dass seit Ende November 2024 Vorläufigkeitsvermerke in den Erläuterungen (Textteil der Bescheide, hintere Seiten …) enthalten sind, die da lauten:
Die Festsetzung der Einkommensteuer ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich
- der Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG
Sofern Sie in Ihrem ESt-Bescheid einen solchen Vermerk ausfindig machen, ist -- allein gestützt auf die oben dargestellte Grundfreibetragsthematik -- kein Einspruch nötig. Eine Einspruchseinlegung aus anderen Gründen ist aber natürlich, wie üblich, zu prüfen.
Sollten Sie weitere Informationen benötigen oder Fragen zu Ihrem individuellen Fall haben, stehen wir Ihnen telefonisch (0851 95689-0) oder per E-Mail (zu unseren üblichen Stundensätzen) gerne zur Verfügung
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